Sonntag, 2. August und Montag, 3. August |
von Anke Krause |
Zwei Tage Regenwetter
Der Tag beginnt mit einem wenig schönen Erwachen: Die Berge sind weg! Verschwunden in einer riesigen Wolke. Man sieht die Hand vor Augen nicht. Aber das ist nun nicht zu ändern. Erst einmal frühstücken wir unsere Aufbackbrötchen (der Backofen funktioniert – wenn auch sehr langsam!). Dann Beratung über das weitere Tagesprogramm. Der Empfang der Touri-Information für neu angekommene Gäste ist seit einer halben Stunde zu Ende, da müssen wir nicht hin. Zum Sightseeing und Einkaufen nach Sion?? Lohnt sich jetzt nicht, es ist Sonntag und alle Geschäfte sind geschlossen. Das verschieben wir auf einen anderen Tag. Wandern? Auch nicht so prickelnd im Nebel. Also eine Autotour. Der unterirdische See in der Nähe? Na ja, die Frage des Kindes ist berechtigt: „Da kann man sich nur einfach rüberrudern lassen und fertig ist? Wie langweilig!“. Wir einigen uns auf einen Autoausflug zum Genfer See, dort ist vielleicht auch das Wetter besser. Die Fahrt beginnt mit einem Abenteuer der besonderen Art: 24 Serpentinen im absolut dichten Nebel, man kann nur im Schneckentempo fahren. Papa ist schweißgebadet, als wir nach gefühlten 3-4 Stunden endlich das Rhônetal erreicht haben. Bis hierher haben es die Wolken nicht geschafft und so ist zwar kein strahlend schönes Wetter, aber es lässt sich aushalten. Wir verlassen die Autobahn bei Montreux und wollen nun die Uferstraße dieser schicken Stadt entlangfahren. Dass mindestens tausend andere Autofahrer auch auf diese Idee gekommen sind, stört uns nur wenig, schließlich haben wir Urlaub. Und außerdem sieht man viel mehr von der Stadt, wenn man langsam fährt und das eine oder andere Mal auch an einer Ampel stehen bleiben muss. Noch bevor wir eine Gelegenheit gefunden haben, das Auto abzustellen, passieren wir das Ortsausgangsschild und erreichen umgehend Vevey. Dazu befrage ich den Reiseführer und doziere: „Charlie Chaplin – Altersruhesitz – Skulptur – Promenade“ und so weiter. Hübsch scheint es hier zu sein, nicht ganz so überfüllt wie Montreux. Wir kümmern uns um die Parkplatzsuche – nicht so halbherzig wie vorhin – und können das Auto tatsächlich ohne Betaal direkt an der Promenade abstellen. Beim Aussteigen trifft uns der Schlag. Mindestens 10 Grad mehr als bei unserer Abfahrt in den Bergen und wir haben Pullover und feste Schuhe an. Vorsichtshalber nehmen wir unsere Regenjacken aber doch mit, man kann ja nie wissen! Direkt am Beginn der Promenade stoßen wir tatsächlich auf die im Reiseführer beschriebene Charlie-Chaplin-Figur und eine unüberschaubar große Gruppe von japanischen Touristen, die alle mal das Foto machen wollen „Ich und Charlie Chaplin“. So dauert es dann eine ganze Weile, bis wir endlich auch dran sind. Erst ziere ich mich ein bisschen, denn ich bin nun mal der Meinung, dass solche Bilder einfach blöd sind. Aber die Familie bleibt hart: „Wofür sind wir schließlich hier?“. Na gut, wenn es denn sein muss. Wir fotografieren zu dritt, was das Zeug hält, kommen nur zentimeterweise voran und stünden wahrscheinlich noch immer da, wenn nicht allmählich die ersten Rufe nach einem gastronomischen Betrieb mit den üblichen Entsorgungseinrichtungen laut geworden wären. Zwischen Altstadt und See findet sich dann auch ein schön gelegenes Etablissement mit einem freien Tisch. Wir trinken unseren Kaffee, Vater und Tochter genehmigen sich ein Stück Kuchen, dann bewegen wir uns durch die Altstadt mit ihren vielen netten kleinen Kramläden. Habe ich da einen Stoßseufzer von Papa gehört: „Gut, dass heute Sonntag ist!“? Zurück am Auto werden die Regenjacken wieder verstaut, das Wetter sieht zwar weiterhin suspekt aus, bis jetzt hat es aber noch nicht geregnet. Weiter geht es am See entlang, ein kurzer Zwischenstopp zum „Landschaft-Gucken“. Dort fängt es jetzt tatsächlich an zu regnen und wir streben schnellstmöglich wieder dem Auto zu. Das Ganze verzögert sich nur durch eine weitere Pinkelpause der Kindes. „...wenn man schon mal dran vorbei kommt, man weiss ja nie, wann die nächste Gelegenheit ist...“. Jetzt also noch Lausanne. Große Stadt, mehrere verschiedene Zentren auf mehreren Hügeln, verwirrende Beschilderung, irgendwie schaffen wir es doch, das Auto einigermaßen zentral anzustellen. Lausanne beeindruckt vor allem durch die Vielzahl an Kanal- und sonstigen Deckeln. Wasser, Gas, Telefon, sogar die Polizei hat hier eigene. Fette Beute also. Ansonsten erschließt sich uns der Charme dieser Stadt nicht so recht, zumal es heute am Sonntag in der Fußgängerzone auch ziemlich tot ist. Auch in gastronomischer Hinsicht, zu trinken bekommen wir hier nichts. In Bahnhofsnähe findet sich dann wenigstens eine Spielhalle, in der man im hinteren Teil auch Computer mit Internetzugang findet. Wir spendieren dem Kind eine Viertelstunde für die Kommunikation mit der Heimat, denn in unserem Bergdorf haben wir keinen Kontakt zur Außenwelt. Außerdem spricht unser Minirechner seit heute nicht mehr mit uns – will ein Passwort haben, was nie jemand eingerichtet hat.
So, jetzt aber nichts wie weg hier. Wir quälen uns durch die schlecht beschilderte Stadt und erreichen irgendwann doch noch die Autobahn. Ich arbeite noch einmal den Reisefüher nach und erfahre, dass man in dieser Gegend aus der Chasselas-Traube hervorragende Rotweine macht. Entweder ist mir da was entgangen (wie macht man aus einer Weissweintraube Rotwein?) oder der Reiseführer ist einfach Mist. Das hatten wir schon ein paar Mal in diesem Urlaub gemutmaßt.
Auf dem Heimweg noch ein kurzer Fotostopp, dann geht es zurück in die Berge. Papa nimmt die Serpentinen heute schon wesentlich souveräner, nur das Kind beschwert sich „Mir ist schlecht!“. Tja, welches Buch war es denn diesmal? Zum Abendessen Nudeln mit Tomatensoße, dazu Wein aus Schnapsgläsern. Andere gibt es nun mal nicht. Am Tisch ist es so ungemütlich, dass das Kind ausspricht, was alle schon einmal gedacht haben: „Hier bleibe ich nicht, ich fahre nach Hause!“ Sollte man sich vielleicht beschweren und den Urlaub einfach abbrechen? Aber bezahlt ist schließlich bezahlt, also richten wir uns so gut wie möglich ein, vielleicht gibt es ja morgen in Sion sogar zwei einfache Weingläser zu kaufen.
Inzwischen hat das Kind in Erfahrung gebracht, wie man doch Kontakt zur Außenwelt herstellen kann: Im Touristenbüro gibt es einen Computer mit Internetanschluss und in der ungemütlichen Kneipe mit den Tischen auf dem Parkplatz sogar WLAN. Das allerdings nützt uns zunächst mal gar nichts, denn die Kneipe macht erst morgen wieder auf und außerdem verweigert unser Rechner immer noch die Kommunikation.
Das Kind erklärt sich nun großzügig bereit, morgen früh Brötchen zu holen, den der Bäcker liegt auf der Strecke zu Touristenbüro. In der Tat rollt sie sich am nächsten Morgen frühzeitig aus dem Bett, bewaffnet sich mit Geld und Regenjacke (das Wetter ist eher noch schlechter geworden) und zieht los Richtung Ortsmitte. Eine halbe Stunde später steht sie wieder da. Pudelnass und ohne Brötchen. „Das Internet war nicht etwa kostenlos und die Brötchen sind superteuer, da hat das Geld nicht mehr gereicht, jetzt muss ich nochmal losziehen.“ Nass ist sie ohnehin, da kommt es jetzt auch nicht mehr drauf an.
Wir blicken in das trostlose Wetter, die Berge sind wieder einmal verschwunden. Gut, heute steht Stadtbesichtigung auf dem Programm, da ist es nicht so schlimm, wenn es etwas trübe ist. Also wieder ins Auto, 24 Serpentinen nach unten und kurze Suche nach einem Parkhaus. Was dann auch relativ schnell gefunden ist. Beim Aussteigen trifft uns der Schlag. Eine Lüftung scheint es hier nicht zu geben, es herrschen geschätzte 40 Grad und Luft zum Schneiden. Schnell raus hier. Mit Regenjacke, versteht sich. Kurze Orientierung, dann steuern wir die erste Kirche an. Auf dem Weg liest Papa aus dem Reiseführer vor, so dass wir schon einmal vorbereitet sind. Innen suchen wir nach den beschriebenen Details, was aber bei dem Schummerlicht gar nicht so einfach ist. Beim besten Willen können wir die erwähnten Bilder, Kapitelle oder Mosaike nicht finden. Papa macht wieder einmal seinem Unmut über den unpräzisen Reiseführer Luft. Das Kind liest auch noch einmal nach, damit sie weiss, wonach sie eigentlich suchen muss. Einige Momente absolutes Schweigen, dann die vorsichtige Frage: „Seid ihr sicher, dass ihr in der richtigen Kirche seid?“ Waren wir bisher eigentlich schon, aber jetzt kommen uns doch Zweifel. Eine nochmalige Kontrolle führt zu dem Ergebnis, dass wir tatsächlich ungefähr 50 Meter weiter gehen müssen, da steht die nächste Kirche. Und als wir drinstehen, stimmen plötzlich die Beschreibungen.
So, jetzt ist aber erst einmal genug mit Kultur. Mal sehen, was es so zu shoppen gibt. Zuerst ist da mal ein Laden mit mediterraner Keramik. Papa bleibt gleich draußen, ihm schwant Böses. Unnötigerweise, wie sich schnell herausstellt, das Angebot ist nicht so toll und in weniger als einer Minute abgehakt. Dann ein Teeladen, sehr gemütlich, wir erstehen Tee fürs Kind. Ein Weinladen, der sehr interessant aussieht, aber zur Zeit gerade Mittagspause hat. Zu dumm, dann trinken wir doch erst mal irgendwo was und gehen anschließend den Hügel hoch zur Kirche von Valère. Längere Innenbesichtigung, dreifaches Fotografieren aus allen möglichen und unmöglichen Perspektiven, das Museum sparen wir uns. Jetzt können wir auch zurück in die Stadt, die Mittagspause ist allenthalben beendet. Wir machen ein Kaufhaus ausfindig, in dem wir tatsächlich zwei Weingläser erstehen. Dazu eine Kerze, vielleicht ist damit in puncto Wohnlichkeit noch etwas zu retten. Das Kind juchzt vor Freude, als es einen Asia-Laden entdeckt. Papa will erst nicht mit rein, aber als er sich überzeugt hat, dass es nicht nach Räucherstäbchen riecht, lässt er sich doch überreden. „Eigentlich haben die ja ganz schöne Sachen hier“, muss er zugeben. Stunden später entern wir dann endlich den Weinladen und erstehen ein paar Flaschen für die nächsten Tage. Jetzt steht uns das Schwierigste bevor: Der Lebensmitteleinkauf für die Selbstverpflegung. Wir müssen etwas suchen, bis wir einen Supermarkt gefunden haben, aber dann ist es sogar einer mit eigener Tiefgarage. Was nun kaufen? Salat, Joghurt, Eier, Nudeln, Fertigpizza, Reis, Käse, Mineralwasser, dunkles Brot fürs Kind... Als besonderes Schmankerl haben wir eine Packung Käsefondue-Mischung eingepackt, das machen wir mal an einem Abend ganz in Ruhe, nehmen wir uns vor. Irgendwann ist der Wagen voll und wir hoffen, mit dem Inhalt den Rest des Urlaubs bestreiten zu können.
Jetzt aber zurück in die Berge! 24 Serpentinen hoch, Papa hat mittlerweile schon fast Spaß daran, das Kind legt das Buch beiseite und hört versuchsweise einfach Musik. Das scheint besser zu gehen, denn diesmal gibt es keine Beschwerden. Während Vater und Tochter die Einkäufe im Kühlschrank verstauen, gehe ich den Wanderweg vor unserem Haus noch ein Stück weiter hoch und klaube an der Böschung der Baustelle nebenan einen Strauß aus den wie Unkraut wachsenden Blumen zusammen (wahrscheinlich ist es Unkraut!). Wäre doch gelacht, wenn man die Wohnung nicht wenigstens ein kleines bisschen gemütlicher machen könnte!
Und dann die Überraschung fürs Kind: Wir gehen noch auf ein Bier in die WLAN-Kneipe. Ein SMS-Hilferuf nach Hause und eine treffsichere Ferndiagnose haben nämlich dazu geführt, dass der Rechner jetzt wieder ansprechbar ist. Das Kind freut sich und wir stellen erstaunt fest, dass das Restaurant von innen gar nicht so schrecklich ist. Na also, vielleicht wird ja nun doch noch alles gut! Immerhin hat es jetzt auch aufgehört zu regnen.
zuletzt geändert: Sep 27 2009
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