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Rom im November - Menschenleer?




 

Samstag, 28.11.09

von Anke Krause
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Der Wecker klingelt um 8.00 Uhr, normalerweise würde ich mich jetzt noch einmal gemütlich umdrehen und noch etwas weiter schlafen. Aber erstens erklärt mir der Gatte, dass er nachts von einem ohrenbetäubenden Lärm wach geworden ist. Nicht Verkehrslärm, sondern ein heftiger Platzregen. Zum Glück ist es jetzt wieder trocken. Außerdem kommt mir in den Sinn, was heute alles zu bewältigen ist ,und so springe ich doch gleich aus dem Bett und probiere todesmutig die Dusche aus. Anschließend herrscht im Bad eine mittlere Überschwemmung, aber immerhin bin ich jetzt sauber.  Nachdem sich auch der Gatte des Staubs vom Vortag entledigt hat, begeben wir uns zum Frühstück. Überall hat man gehört und gelesen, dass das italienische Frühstück noch dürftiger ist als das französische und so sind unsere Erwartungen eher niedrig geschraubt. Dafür geht es dann sogar: verschiedene Sorten Müsli, Joghurt, Fruchtcocktail aus der Dose,  Brötchen, abgepacktes dunkles Brot, Hörnchen, Butter, diverse Sorten Marmelade, Honig, Nutella, Salami, Käse. Kaffee in verschiedenen Zubereitungen per Knopfdruck aus dem Automaten. Wir zapfen uns einen „caffè latte“, streuseln Zucker hinein und noch bevor wir testen können, steht der Empfangschef des Hotels neben uns am Tisch – und gratuliert mir zum Geburtstag. Alle Achtung! Der Kaffee taugt dann zwar doch nicht viel, aber darüber sehen wir großzügig hinweg. Im zweiten Anlauf probieren wir es mit „Cappucino“, der ist dann besser, nur ziemlich süß. Ansonsten stehen wir gut gesättigt auf und nehmen nun unser Tagesprogramm in Angriff. Zuerst das Colosseum, die Eintrittskarte gilt ja nur bis 13.30 Uhr. Als wir dort ankommen, steht bereits wieder eine lange Warteschlange davor, aber da wir ja keine Tickets mehr kaufen müssen, ziehen wir locker vorbei und betreten das Gebäude ohne Wartezeit. Wie praktisch!  Was uns jetzt erwartet, ist wieder einmal gigantisch. Die Kameras stehen nicht still, gar nicht so einfach, diese Architektur aus jeder Perspektive aufs Bild zu bannen. Eine Ausstellung zu Vespasian, Titus und Co. Dumm, dass so wenig aus dem Geschichtsunterricht hängen geblieben ist, aber immerhin habe ich vor nicht allzu langer Zeit das hier  gelesen, deshalb stehe ich jetzt nicht ganz so dumm da. Wie immer halten wir uns viel länger als geplant auf und schaffen es erst nach diversen abschließenden Fotos („Die Sonne steht jetzt in einem anderen Winkel drauf, das muss ich noch festhalten“), und nochmal in Richtung Forum Romanum aufzumachen. Auf dem Weg stelle ich mehrfach meine zweit-beliebteste Frage: „Wo haben die denn hier ihre Kanaldeckel?“ Denn alles, was ich bisher gesehen habe, sind Entwässerungs-, Gas, Telefon- oder sonstige Deckel mit der Aufschrift „S.P.Q.R“, zwar berühmt, aber keinesfalls dekorativ. Daher halte ich wenigstens diese Dekoration an einem öffentlichen Mülleimer fest. Jetzt aber auf zum Forum Romanum, den Rest besichtigen, den wir gestern nicht mehr geschafft haben. Kurz Schlange stehen, dann schieben wir unsere Karte in den Automaten. Was ist das? Pieep, rotes Licht? Ach so, der Kontrolletti klärt uns auf, dass wir mit dieser Karte wohl schon einmal hier drin waren, mehrfach geht nicht.Dumm gelaufen, aber nicht zu ändern. Immerhin haben wir die Säulen und Trümmer ja schon gestern aus der Ferne gesehen. Dann eben jetzt etwas ganz anderes: Piazza del Populo, das Shopping-Viertel von Rom, nicht zu vergessen natürlich die Spanische Treppe und der Trevi-Brunnen. Wir nehmen die U-Bahn, am Hauptbahnhof müssen wir umsteigen. Die zweite U-Bahn-Linie hat die etwas schickeren Bahnhöfe, stellen wir fest, dafür aber die vergammelten Züge. Egal, ist ja nur für eine Station. An der Piazza del Populo steigen wir aus, finden die interessanteste Kirche geschlossen vor und stürzen uns jetzt erst einmal ins Geschäftsviertel, „Antiquitäten-Straße oder Klamotten-Straße?“. Nicht so einfach zu entscheiden, und so gehen wir einfach im Zickzack durch die Gassen, schauen mal hier, mal da, staunen über das Angebot in einer ganz normalen Einkaufsstraße und über die Park-Künste der Italiener und stehen plötzlich, ohne dass wir es so richtig gemerkt haben, vor der Spanischen Treppe. Dort sitzt alles voller Touristen, die sich gegenseitig fotografieren. Oder es zumindest versuchen, denn zwei Männer, die den optischen Eindruck von Gorillas vermitteln, stehen mitten vor dem Brunnen, bewegen sich nicht einen Zentimeter zur Seite und machen damit das ganze Fotomotiv zunichte. Trotzdem knipsen wir irgendwie an den beiden vorbei, das Licht ist ohnehin nicht so toll, der größte Teil der Treppe liegt im Schatten. Immerhin haben wir die Treppe jetzt auch mal gesehen und als Programmpunkt abgehakt. Wie weiter? „Ara Pacis“ steht als weiteres Highlight in unserem Reiseführer. A propos – wo ist der überhaupt? Kein Problem, klemmt fest beim Gatten unterm Arm, während er fotografiert. Direkt neben dem ansonsten nicht  so aufregenden Augustus-Mausoleum steht also der moderne Bau, in dem die Ara pacis zu besichtigen ist. Gehen wir rein oder lassen wir es bei dem schönen Wetter bleiben? Wir entscheiden uns für die zweite Lösung und schauen nur von der Seite hinein, gut, dass das Gebäude vorwiegend aus Glas besteht! Vermutlich wäre man eh nicht richtig rangekommen, wie überall ist es rappelvoll. Stattdessen bleiben wir ein paar Minuten auf dem Rand des Brunnens sitzen, an und in dem sich Kinder und Teenies in Träger-Tops und kurzen Hosen tummeln. (Man rufe sich nochmal in Erinnerung: Es ist Ende November!).
Wie weiter? Der kleine Hunger meldet sich mal wieder. Da findet sich doch bestimmt etwas, wo man nett draussen sitzen kann. Klar gibt es, jede Menge sogar, aber wieder einmal wird uns schmerzlich bewusst, dass wir nicht alleine in Rom sind. Und so müssen wir tatsächlich noch bis zum Parlamentsgebäude laufen, bis wir einen Tisch unter freiem Himmel finden. Ein Mandeltörtchen für den Gatten, für mich doch lieber ein Sandwich, Kaffee für beide. Wir sitzen im T-Shirt da, lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen und genießen das Leben. Wäre da nicht noch unser weiteres Besichtigungsprogramm... So brechen wir dann doch nach einer Weile wieder auf und starten Richtung Trevi-Brunnen. Der Weg führt vorbei an der Piazza Colonna mit der eindrucksvollen Marc-Aurel-Säule. Fotopause. Durch die schicke Sordi-Einkaufspassage. Fotopause. Weiter durch enge Gassen mit fliegenden Händlern (Schneekugeln und Stative). Fotopause. Und dann stolpern wir in eine riesige Touristen-Menge. Die haben sich ganz eigenartig gruppiert: einige mit dem Gesicht Richtung Sonne, andere mit dem Rücken dazu. Ist das eine besondere Choreographie? Ach so, wir stehen vor dem unsäglichen Trevi-Brunnen, die Massen versuchen, mit der rechten Hand eine Münze aus der rechten Hosentasche zu kramen und diese über die rechte Schulter rückwärts in den Brunnen zu befördern. Der Brunnen ist im übrigen so groß, dass man sich schon ziemlich dumm anstellen muss, um hier nicht zu treffen. Diejenigen, die mit dem Gesicht zum Brunnen stehen, haben ihre Münze vermutlich schon versenkt, die fotografieren nämlich jetzt die anderen beim Werfen. Cool! Fotografieren wollen wir natürlich auch, aufs Werfen verzichten wir. Auch wenn die Münzen abends zusammengeklaubt und der Caritas übergeben werden. Und schon wieder ist ein Programmpunkt abgehakt. In den umliegenden Gassen erstehen wir ein paar Kleinigkeiten (keine Schneekugeln und keine Stative übrigens!) und lassen uns dann weiter treiben Richtung Pantheon. Hier waren wir zwar gestern schon (Wo ist eigentlich der Reiseführer? - Ah ja, im Rucksack,  alles ok), aber so  können wir jetzt auch noch ein paar Bilder bei Tageslicht machen. Ein kurzer Blick hinein – irgendwie ist die abendliche künstliche Beleuchtung schöner, finden wir. Unser nächstes Ziel: Der Markt am Campo di Fiori. Vorbei also an der Piazza Navona mit dem schrecklichen Weihnachtsmarkt. Eigentlich müsste man ja irgendwann auch hier mal ein Eis essen, aber nach der Erfahrung mit dem gestrigen Abendessen wollen wir keine Magen-Kapazitäten unnütz vergeuden. Am Campo di Fiori kommen wir leider zu spät, der Markt wird gerade abgebaut und die Reinigungsfahrzeuge setzen alles unter Wasser. Trotzdem lassen wir uns in einer kleinen Enoteca nieder, um den Füßen etwas Ruhe zu gönnen und ein Glas Wein zu trinken. Und wir werden Zeugen eines lustigen Schauspiels. Das Ende des Marktes ist die große Stunde der Gastronomen:  Wo gerade noch Marktstände abgebaut wurden, schleppen die Wirte jetzt noch mindestens zwei Reihen Tische und Stühle hin.Und als hätten sie in irgendwelchen Startlöchern gesessen, kommen innerhalb von Sekunden die Menschen, zum großen Teil Einheimische, und belegen die zusätzlichen Plätze. Schon bald ist nichts mehr frei, und wo wir vor fünf Minuten noch in der ersten Reihe am Markt gesessen hatten, sind wir jetzt in die Peripherie abgeglitten, ohne uns selbst zu bewegen. Inzwischen ist es auch dunkel geworden und wir testen einmal unser Nachtfoto-Programm. In Ermangelung eines Stativs müssen Mauern, Zäune, Stromkästen, Brunnenränder oder was auch immer als Unterlage herhalten. Zwei bis drei Kirchen liegen noch am Wegesrand, auch hier – mal sehen, was die Kamera dazu meint. Besonders fotogen, wenn auch  eigentlich unglaublich hässlich, ist das italienische Nationaldenkmal an der Piazza Venezia. Aber das Ding ist ideal angestrahlt und man hat einen absolut freien Blick. Also machen wir doch den einen oder anderen Versuch.
Wie jetzt weiter? Eigentlich lohnt es sich gar nicht, zum Hotel zurück zu fahren. Zum Essen wollen wir heute auf die andere Tiberseite, nach Trastevere. Gehen wir doch langsam zu Fuß zum Largo Argentina, von dort fährt die Straßenbahn. Rappelvoll übrigens, wie sämtliche Busse auch. Aber wir müssen nur drei Stationen fahren, dann schlagen wir uns  rechts in die Büsche bzw. in das Gassengewimmel von Trastevere. Der Reiseführer hat nicht zu viel versprochen, hier brummt das Leben. Eine Kneipe an der anderen, malerische Gassen und Plätze, dezent angestrahlte Kirchen. Die berühmteste, Santa Maria in Trastevere,  besichtigen wir gleich von innen – mit Fotostop natürlich. Erst als die Messe beginnt, sehen wir uns genötigt, die gastliche Stätte zu verlassen. Heute wollen wir ohnehin etwas früher essen als gestern. Erstens ist der Rückweg zum Hotel viel weiter und zweitens denken wir, mit einem Stündchen mehr Schlaf sind wir für den nächsten Tag besser gerüstet. Zwei Restaurants stehen zur Auswahl, das erste ist völlig leer und wirkt ziemlich ungemütlich, das andere hat gerade noch einen Tisch draußen frei. Das Erlebnis möchte ich mir tatsächlich nicht entgehen lassen: Noch nie habe ich an meinem Geburtstag in einem Restaurant unter freiem Himmel gegessen! Heute gibt es kein Menü, wir müssen uns die Gänge selbst zusammenstellen. Wieder einmal werden wir mehr als satt, die Qualität ist wieder einmal wunderbar. Und ein gutes Werk tun wir auch noch, wie wir erfahren: Das Restaurant wird betrieben in Kooperation mit der Kirchengemeinde San Egidio, die ein Projekt für die Integration von Behinderten und Nicht-Behinderten betreibt. So tut es uns nicht leid, dass wir nicht wieder zu denselben sagenhaften Preisen gegessen haben wie am Abend zuvor. Auf dem Rückweg zur Straßenbahn springt uns noch eine nette Enoteca ins Auge, dort werden wir noch einen Absacker zu uns nehmen. Eine Weile sitzen wir noch hier, bevor wir aufbrechen, suche ich noch einmal die Katakomben des Restaurants auf, schließlich weiss man ja nie, wie lange man unterwegs ist. Und da entdecke ich etwas, was in keinem Reiseführer steht. Eine Ausstellung, die sich jeder Tourist ansehen sollte. Na ja, wenigstens fast jeder, wir brauchen das nicht unbedingt.... Stattdessen schieben wir uns mittlerweile schon ziemlich routiniert in die überfüllte Straßenbahn, den überfüllten Bus und die nicht ganz so überfüllte U-Bahn. Und dann schlafen wir ganz schnell, denn morgen erwarten uns große Dinge: Der Besuch im Vatikan.

Zuletzt geändert: Nov 10 2010

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