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Kreta 2010




Eigentlich waren die Fahrräder schon fix und fertig für die Elbe-Tour. Aber dann kam doch alles ganz anders ...

  

Freitag, 4. Juni 2010

von Anke Krause
Kreta 2010 >>

Pünktlich um 6.25 Uhr finden wir uns vor dem Agentur-Büro ein. Ein einzelner weiterer Wanderer wartet schon dort – Henk aus Holland, wie sich später herausstellt – und zwei griechische Frauen. Silke hat uns unser Frühstück abends vorher schon zurecht gemacht und in den Kühlschrank gelegt. So können wir auf der langen Busfahrt irgendwann gemütlich frühstücken, denken wir uns. Schlag 6.30 Uhr kommt der Bus den Berg hinunter, wendet und lässt uns durch die Mitteltür einsteigen. Noch ist er völlig leer, aber vermutlich werden die anderen Ausflügler in Matala zusteigen, davon hatte der Agenturmensch gestern gesprochen. Dafür dudelt lautstark griechische Musik aus dem Radio. Wir nehmen unsere Plätze ein uns los geht es. Seltsamerweise fährt der Bus aber ab ersten Abzweig nicht weiter in Richtung Matala, sondern gleich links ab Richtung Rethymnon und Samaria-Schlucht. Na gut, irgendwo werden die anderen schon zusteigen. Tun sie dann auch. Im ersten Dorf nämlich, hoch in den Bergen, wohin der Bus jetzt einen Abstecher macht. Allerdings sehen diese Leute weniger aus wie Wander-Ausflügler, es handelt sich vielmehr um Dorfbewohner, die zusteigen. Schulkinder, alte Frauen, offensichtlich auf dem Weg zum Markt, jüngere Leute, vielleicht auf dem Weg zur Arbeit. Beim Bäcker des Dorfes noch ein Stopp, die Tür wird geöffnet, der Bäcker reicht dem Busfahrer eine Tüte Brot hinein, und mit lautem Hallo verabschiedet man sich voneinander. Weiter geht es zum nächsten Bergdorf. Eine Frau bekreuzigt sich vor jeder Kurve und vor jeder Brücke. Uns schwant allmählich, dass hier irgend etwas nicht ganz richtig ist. Spätestens, als der Kontrolleur die Fahrscheine sehen möchte – oder uns alternativ welche verkaufen – und wir nur unser Ausflugsagentur-Voucher vorzuweisen haben, bewahrheitet sich, was wir schon lange befürchtet hatten: Wir sitzen im falschen Bus, dem Linienbus nach Rethymnon! Alles Jammern hilft nichts, der Kontrolleur kann eh nur griechisch. Wir müssen eine weitere Fahrkarte für 6 Euro pro Person kaufen. Und wohl oder übel bis Rethymnon mitfahren, denn den andern Bus erwischen wir jetzt nicht mehr. Am Busbahnhof steigen wir aus und gehen zu Fuß bis zum Stadtpark, wo es nicht ganz so laut ist wie an der Hauptstraße. Wir beratschlagen mit Henk, was zu tun ist und kommen überein, erst einmal telefonisch Kontakt zur Ausflugsagentur aufzunehmen. Dann vielleicht ein Taxi zur Samaria-Schlucht nehmen (Kostenpunkt: etwa 100 Euro, wie wir in Erfahrung bringen)? Aber ob es und dort gelingt, den Rest der Gruppe ausfindig zu machen und zumindest das Boot und den Bus zurück wieder zu erwischen? Vielleicht hat der Agenturmensch ja eine Lösung. Hat er aber nicht, das Büro macht nämlich erst um 9.00 Uhr auf. So setzen wir uns eben in ein nahegelegenes Straßencafé, bestellen einen Cappuccino und warten, dass es 9.00 Uhr wird. Um uns herum erwacht allmählich des Leben: Junge Männer mit Sackkarren kommen mehrfach vorbei, vermutlich beliefern sie Tavernen oder Geschäfte für das Tagesgeschäft. Der Laden gegenüber wird aufgeschlossen, ein alter Mann stellt Gestelle mit bunten Pappkartons vor die Tür (etwas anderes wird in diesem Laden nicht verkauft) und holt zur Krönung seinen Motorroller aus dem Verkaufsraum, um ihn davor wieder abzustellen. Menschen kommen und gehen, beginnen einzukaufen. Ich hätte nie für möglich gehalten, wie viele Leute freitags früh bunte Pappkartons kaufen! Inzwischen ist es 9.00 Uhr, es gelingt uns, den Agenturmenschen zu erreichen. Der spricht zum Glück deutsch und wettert nach unserer Schilderung erst einmal auf den Busfahrer, der uns nicht informiert hat. Aber was zu tun ist, weiss er auch nicht so auf Anhieb. „Ich melde mich wieder, bleiben Sie dort und warten noch etwas“. Wir sind folgsam, bestellen und noch einen Kaffee und ein Sandwich und warten weiter. Lange Zeit tut sich nichts, dann der Rückruf: „Ich muss erst noch mit meinem Chef beratschlagen, bitte noch etwas Geduld!“. Was bleibt uns anderes übrig als weiter zu warten? Wir beobachten noch ein bisschen das Laben um uns herum. Interessant, denn Touristen sind so gut wie gar nicht unterwegs. Erstens ist es noch zu früh und zweitens: was wollen Touristen mit bunten Pappschachteln? Stunden später dann die Mitteilung vom Agentur-Menschen: „In einer Stunde fünfzig Minuten kommt jemand mir einem blauen Hiyundai zum Busbahnhof. Ihr Mitfahrer kennt den Mann.“ Wie bitte? Eine Stunde fünfzig Minuten? Nein, der Agentur-Mensch meint 50 Minuten oder eine Stunde, eine realistische Zeit, wenn der blaue Hiyundai jetzt in Agia Galini losfährt. Und warum kennt Henk den Mann? Ganz einfach: gestern war Jeep-Safari, Henk dabei. Als sein Auto eine Panne hatte, musste der Mann auch schon rettend eingreifen. Also noch eine Stunde warten! Und dann? Wir werden ja sehen. Die Zeit nutzen wir, um noch einmal durch die Gassen der Altstadt zu streifen, Henk war noch nicht hier und freut sich, das auch einmal kennen zu lernen.
Am Busbahnhof warten wir auf den blauen Hiyundai, mittlerweile ist seit dem letzten Telefonat weit mehr als eine Stunde verstrichen. Also noch einmal nachhören. Ja, der Mann sei jetzt in unmittelbarer Nähe des Busbahnhofs, erklärt man uns. Und tatsächlich, auf der anderen Straßenseite stehe jemand und winkt. Henk winkt fröhlich zurück, die beiden begrüßen sich wie alte Freunde. Wir besteigen das Auto, mit dem wir nun weiter chauffiert werden sollen – ein roter Nissan im Übrigen. Ich schlage mit übe das Knie an bei dem Versuch, mit meinem Wandergepäck inklusive Schuhen auf die Rückbank zu klettern. Aber gut, etwas Schwund ist immer. Leider können wir unseren Chauffeur nicht fragen, wohin er uns fährt, er kann weder deutsch noch englisch noch sonst eine Sprache, in der wir mit ihm kommunizieren könnten. Also abwarten. Im Radio läuft nervtötende kretische Musik. Die muss man mögen – oder auch nicht! Irgendwann ist uns jedenfalls klar, dass wir zurück nach Agia Galini fahren. Tja, verbringen wir den Nachmittag eben am Strand, auch wenn das eigentlich anders geplant war. Der Ausflugsagentur-Mensch nimmt uns in Empfang und meint, wir seien selbst Schuld an der Pleite, schließlich steigen wir zu Hause auch nicht in jeden beliebigen Bus, der da gerade kommt. Na ja, ganz Unrecht hat er zwar nicht, aber bei uns in Berlin oder bei Henk in Amsterdam kann man vielleicht auch davon ausgehen, dass morgens um 6.30 Uhr verschiedene Busse fahren. In Agia Galini sind wir auf diese Idee gar nicht gekommen. Da waren wir eher überrascht, dass überhaupt Busse fahren. Wie dem auch sei, der Ausflug in die Samaria-Schlucht hat ohne uns stattgefunden, stattdessen haben wir griechisches Leben hautnah gesehen. Später lese ich im Reiseführer:

„... Fährt man mit dem Linienbus, erlebt man vielleicht Bauern, die vom Markt kommen, hört echte griechische Musik aus dem Radio und sieht Frauen, die sich vor jeder Kurve und jeder Kapelle bekreuzigen. Steigt man dann am Dorfplatz aus, ist man mittendrin im kretischen Alltagsleben...“

Waren die heute früh dabei?

zuletzt geändert: Jun 29 2010 at 14:28

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