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Sommerulaub 2009 - La Montanara



 

Freitag, 31. Juli

von Anke Krause
Sommerulaub 2009 - La Montanara >>

Weiterfahrt in die Schweiz steht auf dem Programm. Nach einem gemütlichen Frühstück und allen organisatorischen Abschlussarbeiten starten wir einigermaßen pünktlich Richtung München, umrunden die Stadt nördlich und fahren weiter Richtung Allgäu – das deutsche Teletubbie-Land, wie wir finden. In Lindau müssen wir die Autobahn verlassen, denn für die paar Kilometer sind wir nicht bereit, eine österreichische Autobahnvignette zu kaufen. Also nutzen wir die Gelegenheit, ein paar Lebensmittel zu erstehen, die uns über die nächsten Tage retten sollen. Denn wenn wir in der Schweiz ankommen, ist dort alles geschlossen, Samstag ist Nationalfeiertag und Sonntag kann man eh nicht einkaufen. Das Kind vergnügt sich derweil im Buchladen und regt sich anschließend ausgiebig über das dürftige Sortiment auf. Weiter am Bodensee entlang, leider im Schritttempo, denn offensichtlich sind auch noch andere auf die Idee gekommen, die österreichische Autobahn zu boykottieren. Wenigstens können wir jetzt österreichischen Rundfunk empfangen, Ö3 für den Rest der Fahrt. Das Kind bekommt strahlende Augen und äußert umgehend den Wunsch, zu Hause im eigenen Zimmer Ö3-fähige Technik zu installieren. Ihr Radiowecker kann das leider nicht. Irgendwann ist es dann doch geschafft, die Schweiz ist erreicht. In St. Margarethen fahren wir auf die Autobahn Richtung Chur, unsere nächste Zwischenstation. ein Schild am Straßenrand zieht die Blicke auf sich: „Heidiland“.Dazu befrage ich nun den Reiseführer. Ah ja, wir haben die Ausfahrt Maienfeld erreicht, hier spielt angeblich die Geißenpeter-Story. Es gibt ein Heidi-Dorf und eine Alm-Öhi-Hütte, von der japanische Touristen nach besten Kräften Andenken-Kitsch abschleppen. Ok, diesen Punkt haben wir also im Vorbeifahren abgehakt. Weiter geht es auf der Autobahn, da taucht links neben und Liechtenstein auf. Wir liegen gut in der Zeit, also  können wir uns einen kurzen Abstecher leisten. Immerhin wollen wir doch mal mit eigenen Augen sehen, wo das ganze deutsche Schwarzgeld so versickert. Am einen Ende fahren wir in das Land hinein,das übrigens zum überwiegenden Teil aus der Haupt“stadt“ Vaduz besteht, finden auf die Schnelle keinen Parkplatz (es gibt dort offensichlich nur die Kundenparkplätze der zahlreichen Banken) und bevor wir uns versehen, befinden wir uns auch schon wieder außer Landes. Also ebenfalls im Vorbeifahren abgehakt. Und immerhin war der erste Eindruck nicht so, dass es sich gelohnt hätte, umzudrehen und einen Nicht-Bank-Kunden-Parkplatz zu suchen.
Weiter also Richtung Chur und viel früher als erwartet sind wir schon da. Autobahnausfahrt Zentrum, immer Richtung Bahnhof, von da aus haben wir vom Hotel eine Wegbeschreibung bekommen. Aber das ist gar nicht nötig, es gibt in der Stadt Hinweise zu dem Parkhaus, das uns das Hotel empfohlen hat. Hineinfahren, kleines Gepäck aus dem Auto nehmen und Hotel suchen – so unsere nächsten Schritte. Das Kind ist übellaunig, weil sie die Nacht im Dreibettzimmer mit den Eltern verbringen muss, aber da muss sie jetzt durch – denken wir. An der Hotelrezeption drückt man uns freundlich zwei Schlüssel in die Hand: „Sind zwei Zimmer direkt nebeneinander, Dusche und WC gemeinsam“. Das Kind jubiliert, muss es doch unser Schnarchen nicht ertragen. Allerdings relativiert sich das Ganze, als wir unsere Zimmer betreten. Zuerst Zimmer 28, Doppelbett, Waschbecken, Fernseher. Nicht luxuriös, aber für eine Nacht ok.  Der Besitzer scheint im übrigen High-Tech-Freak zu sein. Was störend sein könnte, ist die Straße direkt vor dem Fenster. Dann Zimmer 29, Einzelbett, High-Tech-Radio, Waschbecken, Kleiderschrank, Dusche, Toilette. Im Zimmer, wohlgemerkt. Mitzunutzen von Zimmer 28. Und auch von Zimmer 30, wie sich herausstellt. Zu beiden gibt es eine nicht verschlossene Verbindungstür. Das Kind flucht. Wir schauen uns etwas sparsam an. In dem Moment dröhnt mit ohrenbetäubendem Lärm die Kirchturmglocke gegenüber los. Na denn, wir freuen uns auf eine geruhsame Nacht ... Das Kind ist mittlerweile im Internetraum des Hotels verschwunden, um Kontakt zur Heimat aufzunehmen. Ich versuche mich an den anderen technischen Möglichkeiten, die mir das Hotel verspricht: „Freier WLAN-Zugang für unsere Gäste. Wir bitten um Verständnis, dass der Empfang im dritten Stock nicht sicher gewährleistet werden kann“. Wenn ich mich recht entsinne, sitze ich im zweiten Stock. Der WLAN-Zugangspunkt wird mir zwar angezeigt, aber das Signal ist gerade mal mit 5% zu empfangen. Das reicht leider nicht für eine Verbindung. Also versuchen auch wir unser Glück im Internetraum. Das Kind sitzt an dem einen Computer, wir stürzen uns auf den anderen. Fröhlich versuche ich mich daran, meinen Maileingang abzurufen, scheitere aber zunächst einmal am Login: Ich habe eine Schweizerische  Tastatur vor mir, da ist alle anders. Wo bitte finde ich “@“? Ah, da klebt ein Zettel am Bildschirm: „@ = Alt Gr + Q“. Das nenne ich mal Service! Aber Moment mal,das wäre ja eigentlich wie zu Hause und eben das klappt nicht. Also weiter probieren und beim Kind nachfragen und endlich habe ich die Lösung. Sollte also irgendjemand in Zukunft in der Schweiz seine Mails abrufen wollen: „@“ findet sich unter „Alt Gr +2“. Gut, das mit dem Login hat jetzt geklappt, trotzdem ist mir die Lust schnell vergangen, denn für den Aufbau einer einzigen Seite braucht der Rechner gefühlte 59,3 Minuten. Wenn es überhaupt dazu kommt und ich nicht vorher rausgeworfen werde. Mit Mühe gelingt es mir, ein paar wichtige Dinge zu erledigen und das Kind dann zum Aufbruch zu bewegen. Papa hat inzwischen bei der Rezeption veranlasst, dass die Tür zwischen den Zimmern 29 und 30 abgeschlossen wird, wer weiss, wer da sonst alles Nacht duschen möchte...
Jetzt erkunden wir erst einmal die Altstadt von Chur, praktischerweise fußläufig erreichbar. Wir sind sehr angetan und haben gleich ein Restaurant mit Terrasse aufgetan, in dem wir erst einmal etwas für den während der Fahrt ziemlich vernachlässigten Flüssigkeitshaushalt tun. Dann hoch zur Kathedrale, das Kind zieht ein wenig begeistertes Gesicht, aber auf dem Weg stolpern wir über ein merkwürdiges Etablissement, das sich als Theater mir angeschlossenem Restaurant entpuppt. Es gibt Brecht,  „Der gute Mensch von Sezuan“ steht auf dem Programm. Und passend dazu wird ein chinesisches Menü gereicht. Leider nicht für uns, da hätte man lange vorher Karten kaufen müssen. Trotzdem ist das Literatur-begeisterte Kind tief beeindruckt. Der Besuch der Kathedrale hält sich in zeitlich eng umrissenen Grenzen und so schlimm ist es dann doch gar nicht. Weiter geht es durch die Altstadt, auf einem gemütlichen Platz gibt Papa seinem Entzücken Ausdruck angesichts des köstlichen Knoblauchdufts, der einem dortigen Restaurant entströmt. Aber nun erst einmal weiter, Essen gibt es später. Die Altstadt ist wirklich gemütlich, es macht Spaß, durch die Gassen zu streifen und dich die gelegentlich angebrachten Informationstafeln zu Gemüte zu führen. Nicht immer sind die Angaben eindeutig nachvollziehbar, aber mit etwas Phantasie kann man sich dann doch denken, was gemeint ist. Allmählich meldet sich nun doch der Hunger. Wo essen wir also? Finden wir das köstlich duftende Knoblauch-Restaurant wieder? Klar, kein Problem, es gibt sogar einen freien Tisch. Wir lassen uns nieder und bekommen auch bald eine Speisekarte gebracht. Das Kind ist begeistert, Papa lässt die Kinnlade fallen: „Ähm, das ist ja Tex-Mex-Küche hier, das mochte ich noch nie!“ Möglichst freundlich fragen wir also die Kellnerin, ob es auch einheimische Kost gibt. „Ja, mittags, jetzt nicht mehr, da müssen Sie gegenüber ins Restaurant (habe leider den Namen vergessen) gehen“. Gesagt, getan, durch eine Baustelle quälen wir uns hin und müssen entsetzt feststellen, dass es sich um ein Super-Nobel-Etablisssement handelt, für das weder unser Outfit noch unser Budget angemessen ist. Also wieder zurück in die Altstadt und mit relativ wenig Suchaufwand finden wir doch noch etwas, wo wir Bündner Küche bekommen, ohne dabei die Urlaubskasse allzu sehr zu strapazieren. Anschließend bestechen wir das Kind noch mit einem Cocktail, damit es die Nacht ohne übermäßiges Maulen hinter sich bringt. So, jetzt aber zurück zum Hotel, dort müssen wir nämlich noch unsere Gutscheine einlösen, die wir beim Einchecken bekommen  haben: Pro Person ein Getränk in der hoteleigenen historischen Weinstube. Die ist dann wider Erwarten ganz gemütlich und auch das Kind bleibt noch auf einen Drink bei uns sitzen. Dann verabschiedet sie sich in Richtung Internetraum, wir lassen den Abend geruhsam ausklingen. Hoppla, was ist das? Das Hotelpersonal hat gut reagiert und die Tür zwischen den Zimmern 29 und 30 abgeschlossen. Leider war man wohl etwas übereifrig und nun ist auch der Durchgang von 28 nach 29 dicht. Da müssen wir wohl noch einmal den Nachtportier bemühen. Der ist dann auch einsichtig und schließt die Tür wieder auf. Entgegen allen üblen Erwartungen bleiben wir von Straßenlärm und Kirchturmglocken verschont und verbringen doch eine ruhige Nacht. 

zuletzt geändert: Oct 08 2009

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