Dienstag, 4. August |
von Anke Krause |
Bisse de Chervé
Überraschung beim Aufwachen: Strahlend schönes Wetter! Das bietet sich doch geradezu an für eine Bergwanderung. Wir haben die Bisse de Chervé ins Auge gefasst, ein Wanderweg entlang einer alten Bewässerungsleitung in schwindelnder Höhe. Ein Hütte soll es irgendwo am Weg auch geben. 5 ½ Stunden soll die Wanderung dauern, verspricht man uns in dem ansonsten eher dürftigen Flyer. Vor uns liegt zunächst eine kurze, aber ziemlich kurvenreiche Strecke mit dem Auto bis zum Ausgangspunkt der Wanderung. Ein Sessellift führt auf 1700 Meter Höhe, von dort geht es los. Fast jedenfalls. Denn der Versuch, die neuen Teleskop-Wanderstöcke des Kindes auf die richtige Länge auszuziehen, endet in einem Fiasko. Erst klemmt irgendwas und dann hat Papa plötzlich zwei Teile in der Hand. Ohne lange Debatten entsorgt er den Stock im nächsten Mülleimer und stellt dem Kind großzügig seine eigenen Stöcke zur Verfügung. Er selbst nimmt mit dem verbliebenen Stock des Kindes Vorlieb. Eine Wasserleitung ist weit und breit nicht in Sicht, aber wir gehen einfach mal in die Richtung, wo wo gelbe Wegweiser sehen. Stimmt dann auch, zumindest wird auf die Ziele hingewiesen, die auch in unserem Flyer verzeichnet sind. Los geht es, über Stock und Stein, nach wenigen Metern erste Bandagenpause: die Jacken sind viel zu warm, die wandern jetzt erst mal in die Rucksäcke. Weiter geht es auf teilweise recht abenteuerlichen Wegen, aber mit grandiosen Ausblicken. Papa immer vorweg mit seinem einzelnen Stock, das Kind hintendran, gelegentlich mit dem MP3-Player beschäftigt, um die richtige akustische Untermalung zu suchen. Ich irgendwo dazwischen. Plötzlich ein Blick nach hinten: Das Kind ist weg! Ich gehe ein paar Meter zurück und finde sie in völlig verrenkter Haltung mitten in einer Wiese, wo sie Nahaufnahmen von Blumen und einzelnen Grashalmen macht. Ich signalisiere Papa, kurz zu warten, und – warum eigentlich nicht – wir nutzen die Gunst der Stunde und legen auch eine längere Foto-Pause ein. Unter und erstreckt sich der grüne Stausee von Cleuson. Der Rückweg wird uns über die Staumauer auf die andere Seite des Bergbachs führen, sagt der Flyer. Foto hier, Foto da, Vergleich, noch ein Schluck aus der Wasserflasche, dann geht es weiter. Wegweiser gibt es zwar selten, aber Abzweigungen auch, und der Blick zum Sonnenstand sagt uns, das zumindest die grobe Richtung noch stimmt. Plötzlich ein entzückter Aufschrei des Kindes: „Da vorne stehen Kühe!“. Na prima, das dauert jetzt wieder, das Kind muss sicher jede Kuh persönlich begrüßen und ein paar Worte mit ihr reden. Aber zunächst mal müssen wir überhaupt auf die Weide gelangen (der Weg führt tatsächlich hier entlang!). Etwas mulmig ist mir schon angesichts der Nachrichten, die ich noch aus Chur im Kopf habe. Aber was soll's, das ist ja nicht das erste Mal, dass wir in den Bergen sind. Papa begutachtet den Elektrozaun, das Kind meint, der sei ja gar nicht aktiv, so etwas würde man hören. Papa wälzt sich elegant unter dem Zaun durch und steht dann zwischen den Kühen. Ich versuche es ebenso elegant, bleibe aber mit meinem Rucksack hängen und muss mich davon überzeugen, dass das Kind wohl leider mit seiner Vermutung unrecht hatte - ich bekomme einen mittleren Stromschlag. Aber nur die härtesten kommen durch, ich rapple mich auf und sehe gerade noch, wie das Kind hoch elegant einfach über den Zaun steigt, ohne ihn im geringsten zu touchieren. Und schon stürzt sie auf die Kühe zu, begrüßt jede einzelne persönlich und redet ein paar Worte mit ihr. So dauert es eine geraume Zeit, bis wir endlich weiterkommen. Papa und ich gehen schon mal langsam weiter, bis der abgezäunte Bereich zu Ende ist. Ich versuche, es dem Kind nachzutun und steige diesmal über den Zaun. Nicht so elegant, aber immerhin. Papa versucht es ebenfalls, bleibt hängen und – reißt den kompletten Zaun auf 15 Meter Breite einfach um. Ihn wieder aufzustellen ist angesichts des Stromdrahts gar nicht so einfach. Inzwischen hat sich das Kind von der letzten Kuh verabschiedet und kommt auch zum Zaun. Mal sehen, wie sie es diesmal macht: Na ja, sie packt den Griff, an dem der Draht eingehakt ist, hängt ihn aus, geht durch, dreht sich um, hängt den Griff wieder ein – fertig! Sie kennt sich halt aus mit derartigen Dingen. Wir sind peinlich berührt angesichts unserer Ungeschicklichkeit und hoffen, dass sie uns vorher nicht beobachtet hat. Hat sie nicht, sie war zu sehr mit den Kühen beschäftigt. Aber sie lässt sich dann doch haarklein berichten, wie wir die Hürde genommen haben. Jetzt sind es noch 20 Minuten und 150 Höhenmeter bis zur Hütte. Irgendwann – viel später als geplant – kommen wir tatsächlich an, bestellen etwas zu trinken und wollen etwas gegen unseren Hunger tun. Das einzige Angebot: Suppe. Na gut, drei Portionen bitte. Nach langer Wartezeit können wir uns dann die Plastikschalen abholen. Eine undefinierbare Gemüsesuppe erwartet uns, das Kind verzieht das Gesicht, aber der Hunger treibt's dann doch rein. Noch ein paar Blicke in die umliegende Bergwelt, dann müssen wir uns auch schon wieder auf den Rückweg machen, wenn wir nicht im Dunkeln zurückgehen wollen. Bergab geht es wieder an den Kühen vorbei, mittlerweile kennen wir ja auch den Trick mit dem Zaun. Am See angekommen beginnen wir zu zweifeln, ob unser Weg jetzt wirklich über die Staumauer führt, aber einen anderen gibt es nicht. Am anderen Ende angekommen deuten die Markierungen steil nach unten und tatsächlich müssen wir jetzt fast senkrecht an der Staumauer hinunter laufen. Wir freuen uns schon jetzt auf den Muskelkater! Der Rest des Weges zieht sich endlos, andere Wanderer sind nicht mehr unterwegs, inzwischen fängt es auch fast an zu dämmern. Aber irgendwann haben wir es dann doch geschafft, wir betrachten noch einmal andächtig die zahllosen Schneekanonen und versuchen, uns diesen Ort im Winter vorzustellen. Bestimmt kann man hier ganz nett skifahren. Der schönste Moment des Tages ist gekommen, als wir endlich am Auto angekommen sind und die Wanderschuhe wieder gegen die Sandalen tauschen können.
Zurück geht es, 24 Serpentinen und einen Wanderweg hoch. „Das arme kleine Flachlandauto!“
Wir freuen uns auf das Bier in der WLAN-Kneipe, das Kind pflegt den Kontakt zur Heimat, die Kraft reicht anschließend gerade noch für Fertig-Tortellini mit Fertig-Sauce und ein paar Runden Skat, dann fallen wir rechtschaffen müde in die Betten.
Überraschung beim Aufwachen: Strahlend schönes Wetter! Das bietet sich doch geradezu an für eine Bergwanderung. Wir haben die Bisse de Chervé ins Auge gefasst, ein Wanderweg entlang einer alten Bewässerungsleitung in schwindelnder Höhe. Ein Hütte soll es irgendwo am Weg auch geben. 5 ½ Stunden soll die Wanderung dauern, verspricht man uns in dem ansonsten eher dürftigen Flyer. Vor uns liegt zunächst eine kurze, aber ziemlich kurvenreiche Strecke mit dem Auto bis zum Ausgangspunkt der Wanderung. Ein Sessellift führt auf 1700 Meter Höhe, von dort geht es los. Fast jedenfalls. Denn der Versuch, die neuen Teleskop-Wanderstöcke des Kindes auf die richtige Länge auszuziehen, endet in einem Fiasko. Erst klemmt irgendwas und dann hat Papa plötzlich zwei Teile in der Hand. Ohne lange Debatten entsorgt er den Stock im nächsten Mülleimer und stellt dem Kind großzügig seine eigenen Stöcke zur Verfügung. Er selbst nimmt mit dem verbliebenen Stock des Kindes Vorlieb. Eine Wasserleitung ist weit und breit nicht in Sicht, aber wir gehen einfach mal in die Richtung, wo wo gelbe Wegweiser sehen. Stimmt dann auch, zumindest wird auf die Ziele hingewiesen, die auch in unserem Flyer verzeichnet sind. Los geht es, über Stock und Stein, nach wenigen Metern erste Bandagenpause: die Jacken sind viel zu warm, die wandern jetzt erst mal in die Rucksäcke. Weiter geht es auf teilweise recht abenteuerlichen Wegen, aber mit grandiosen Ausblicken. Papa immer vorweg mit seinem einzelnen Stock, das Kind hintendran, gelegentlich mit dem MP3-Player beschäftigt, um die richtige akustische Untermalung zu suchen. Ich irgendwo dazwischen. Plötzlich ein Blick nach hinten: Das Kind ist weg! Ich gehe ein paar Meter zurück und finde sie in völlig verrenkter Haltung mitten in einer Wiese, wo sie Nahaufnahmen von Blumen und einzelnen Grashalmen macht. Ich signalisiere Papa, kurz zu warten, und – warum eigentlich nicht – wir nutzen die Gunst der Stunde und legen auch eine längere Foto-Pause ein. Unter und erstreckt sich der grüne Stausee von Cleuson. Der Rückweg wird uns über die Staumauer auf die andere Seite des Bergbachs führen, sagt der Flyer. Foto hier, Foto da, Vergleich, noch ein Schluck aus der Wasserflasche, dann geht es weiter. Wegweiser gibt es zwar selten, aber Abzweigungen auch, und der Blick zum Sonnenstand sagt uns, das zumindest die grobe Richtung noch stimmt. Plötzlich ein entzückter Aufschrei des Kindes: „Da vorne stehen Kühe!“. Na prima, das dauert jetzt wieder, das Kind muss sicher jede Kuh persönlich begrüßen und ein paar Worte mit ihr reden. Aber zunächst mal müssen wir überhaupt auf die Weide gelangen (der Weg führt tatsächlich hier entlang!). Etwas mulmig ist mir schon angesichts der Nachrichten, die ich noch aus Chur im Kopf habe. Aber was soll's, das ist ja nicht das erste Mal, dass wir in den Bergen sind. Papa begutachtet den Elektrozaun, das Kind meint, der sei ja gar nicht aktiv, so etwas würde man hören. Papa wälzt sich elegant unter dem Zaun durch und steht dann zwischen den Kühen. Ich versuche es ebenso elegant, bleibe aber mit meinem Rucksack hängen und muss mich davon überzeugen, dass das Kind wohl leider mit seiner Vermutung unrecht hatte - ich bekomme einen mittleren Stromschlag. Aber nur die härtesten kommen durch, ich rapple mich auf und sehe gerade noch, wie das Kind hoch elegant einfach über den Zaun steigt, ohne ihn im geringsten zu touchieren. Und schon stürzt sie auf die Kühe zu, begrüßt jede einzelne persönlich und redet ein paar Worte mit ihr. So dauert es eine geraume Zeit, bis wir endlich weiterkommen. Papa und ich gehen schon mal langsam weiter, bis der abgezäunte Bereich zu Ende ist. Ich versuche, es dem Kind nachzutun und steige diesmal über den Zaun. Nicht so elegant, aber immerhin. Papa versucht es ebenfalls, bleibt hängen und – reißt den kompletten Zaun auf 15 Meter Breite einfach um. Ihn wieder aufzustellen ist angesichts des Stromdrahts gar nicht so einfach. Inzwischen hat sich das Kind von der letzten Kuh verabschiedet und kommt auch zum Zaun. Mal sehen, wie sie es diesmal macht: Na ja, sie packt den Griff, an dem der Draht eingehakt ist, hängt ihn aus, geht durch, dreht sich um, hängt den Griff wieder ein – fertig! Sie kennt sich halt aus mit derartigen Dingen. Wir sind peinlich berührt angesichts unserer Ungeschicklichkeit und hoffen, dass sie uns vorher nicht beobachtet hat. Hat sie nicht, sie war zu sehr mit den Kühen beschäftigt. Aber sie lässt sich dann doch haarklein berichten, wie wir die Hürde genommen haben. Jetzt sind es noch 20 Minuten und 150 Höhenmeter bis zur Hütte. Irgendwann – viel später als geplant – kommen wir tatsächlich an, bestellen etwas zu trinken und wollen etwas gegen unseren Hunger tun. Das einzige Angebot: Suppe. Na gut, drei Portionen bitte. Nach langer Wartezeit können wir uns dann die Plastikschalen abholen. Eine undefinierbare Gemüsesuppe erwartet uns, das Kind verzieht das Gesicht, aber der Hunger treibt's dann doch rein. Noch ein paar Blicke in die umliegende Bergwelt, dann müssen wir uns auch schon wieder auf den Rückweg machen, wenn wir nicht im Dunkeln zurückgehen wollen. Bergab geht es wieder an den Kühen vorbei, mittlerweile kennen wir ja auch den Trick mit dem Zaun. Am See angekommen beginnen wir zu zweifeln, ob unser Weg jetzt wirklich über die Staumauer führt, aber einen anderen gibt es nicht. Am anderen Ende angekommen deuten die Markierungen steil nach unten und tatsächlich müssen wir jetzt fast senkrecht an der Staumauer hinunter laufen. Wir freuen uns schon jetzt auf den Muskelkater! Der Rest des Weges zieht sich endlos, andere Wanderer sind nicht mehr unterwegs, inzwischen fängt es auch fast an zu dämmern. Aber irgendwann haben wir es dann doch geschafft, wir betrachten noch einmal andächtig die zahllosen Schneekanonen und versuchen, uns diesen Ort im Winter vorzustellen. Bestimmt kann man hier ganz nett skifahren. Der schönste Moment des Tages ist gekommen, als wir endlich am Auto angekommen sind und die Wanderschuhe wieder gegen die Sandalen tauschen können.
Zurück geht es, 24 Serpentinen und einen Wanderweg hoch. „Das arme kleine Flachlandauto!“
Wir freuen uns auf das Bier in der WLAN-Kneipe, das Kind pflegt den Kontakt zur Heimat, die Kraft reicht anschließend gerade noch für Fertig-Tortellini mit Fertig-Sauce und ein paar Runden Skat, dann fallen wir rechtschaffen müde in die Betten.
zuletzt geändert: Oct 08 2009
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