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Kreta 2010




Eigentlich waren die Fahrräder schon fix und fertig für die Elbe-Tour. Aber dann kam doch alles ganz anders ...

  

Dienstag, 1. Juni 2010

von Anke Krause
Kreta 2010 >>

Nach einem gemütlichen Frühstück auf der Hotelterrasse brechen wir auf Richtung Retymnon. Die Fotos, die wir davon gesehen haben, sind vielversprechend, außerdem interessiert uns die Gegend schon deshalb, weil wir bei unserer Internet-Recherche durchaus einige Hotels hier in die engere Auswahl gezogen hatten. Vor der Abfahrt muss das Auto noch kurz durchgelüftet werden, die Hitze hat sich ziemlich gestaut. Das geht aber ganz schnell, wenn man die Heckklappe und alle 4 Türen öffnet. Äh - Moment mal, waren da gestern auch schon 4 Türen? Warum haben wir uns dann mit dem Gepäck so abgeplagt? Beim nächsten Mietwagen schauen wir dann wohl besser hin ...


Die Fahrt durch die Berge ist problemlos, entgegen all unseren Erwartungen sind die Straßen in sehr gutem Zustand. Das chaotische Fahrverhalten der Griechen ist uns zwar schon auf der Fahrt vom Flughafen nach Agia Galini aufgefallen, aber es ist (fast) immer genug Platz zum Überholen – auch wenn da eigentlich durchgezogene Linien sind. In diesem Punkt assimilieren wir uns ziemlich schnell. Bei der Einfahrt nach Retymnon müssen wir zunächst etwas improvisieren, die Beschilderung gibt es nur nach dem Zufallsprinzip, aber wenn man mit einem einigermaßen intakten Orientierungssinn gesegnet ist, ist es schließlich doch möglich, den Großparkplatz am Hafen zu erreichen. Wir stellen unser schnuckeliges kleines Auto ab und machen uns zu Fuß auf den Weg zur Altstadt. Kurz vor dem alten Hafen spricht uns ein junger Dynamiker an, Alex aus Österreich, wenn man seinem Namenschild glauben darf. Er erzählt uns, er mache im Auftrag des örtlichen Tourismusbüros eine Umfrage, um die touristische Infrastruktur weiter verbessern zu können. Wir sind zwar skeptisch, aber gut, wird schon nicht zu lange dauern. Es kommen einige allgemeine Fragen: Woher kommen Sie, zu welcher Altersgruppe gehören Sie (ziemlich plump deutet er auf „28-35“ und fragt, ob er hier sein Kreuzchen machen soll – selten so gelacht!), was gefällt Ihnen an Griechenland allgemein und an Kreta im Besonderen, sind Sie mit Ihrer Unterkunft zufrieden, und so weiter und so fort. Am Ende der Befragung drückt er uns – als kleines Dankeschön sozusagen – eine Rubbelkarte in die Hand. Drei Flächen sind freizurubbeln. Hat man eine Palme, ist das ein Trostpreis, bei zweien schon etwas mehr und drei sind der Hauptgewinn. Aha, jetzt wissen wir Bescheid. Es wird folgendes passieren:

Einer von uns (vermutlich der Gatte) gewinnt mit einer Palme ein T-Shirt oder so etwas in der Art. Und der andere (vermutlich ich) hat – welch große Überraschung – einen Hauptgewinn! Alex wird ausrasten vor Überraschung und mir erklären, ich habe eine Woche Gratis-Urlaub für mehrere Personen gewonnen. Ich müsse jetzt zu einer Hotel-Anlage in der Nähe gehen, die zum Beispiel dafür in Frage kommt, dort werde man mir ein Muster-Zimmer zeigen und mich eingehend über alles Weitere informieren. Vor Ort erfahren wir dann zunächst, dass die gewonene Reise völlig gratis ist – nur eine Bearbeitungagebühr in dreistelliger Höhe ist auf ein Konto in London zu zahlen und die Anreise müssen wir natürlich aus selbst bezahlen. Da ist man uns aber gerne behilflich. Anschließend werden wir dann Gehirnwäsche-artig zugetextet und können uns fast nicht wehren, einem Vertragsabschluss über ein Time-Sharing-Projekt zuzustimmen.

Wir fangen an zu rubbeln, Alex hilft erst dem Gatten, denn wir haben keine feste Unterlage und er nutzt sein Klemmbrett. Eine Palme.

„Oh, ein Trostpreis, dafür können Sie sich nachher ein T-Shirt abholen“.

Dann ich. Drei Palmen. Alex rastet aus.

Das gibt es nur dreimal am Tag! Sie haben eine Woche Urlaub für vier Personen gewonnen. Völlig gratis! Freuen Sie sich gar nicht? Haben Sie immer so ein Glück? Gewinnen Sie öfter?“

Leider bin ich in diesem Moment nicht schlagfertig genug, um zu antworten

Immer, wenn man mir ein Time-Sharing-Projekt andrehen will!“

So redet Alex noch etwas weiter und erklärt uns, dass wir jetzt mit dem Taxi nach Platanes (ca. 4 Kilometer entfernt) fahren werden und dort die Kollegen alles Weitere erläutern. Und dann sollen wir bitte noch sagen, wie toll er das alles gemacht hat, dann bekommt er nämlich 30 Euro.

Oh prima, Platanes ist doch der Ort mit den vielen Hotels, in den wir eventuell auch gefahren wären. Das schauen wir uns jetzt doch mal an. Alex drückt dem Taxifahrer 10 Euro in die Hand und los geht es, immer die Küstenstraße entlang. Die Gegend wird immer hässlicher, ein Hotel am anderen, alle zeichnen sich in keinster Weise durch Schönheit aus. Und dann sind wir da. Die Kollegen nehmen uns aufs freundlichste in Empfang und bitten uns, noch einen Moment draußen Platz zu nehmen. Nach zwei Minuten werden wir an die Rezeption der Hotelanlage gerufen. Unser Blick fällt durch die Glasscheibe in eine wunderschönen völlig ungriechisch gepflegten Innenhof, in dem lauter Dreiergrüppchen an Tischen sitzen und sich unterhalten – jeweils ein Touristenpaar und ein Gehirnwäscher. Irgendwie fühle ich mich an einen Film über Scientology erinnert, den ich kürzlich gesehen habe. Wir sind der Meinung, dass wir nun genug gesehen haben und teilen der Dame an der Rezeption mit, dass wir weder an einem Time-Sharing-Objekt noch an dem Hauptgewinn interessiert sind, man solle sich die Zeit sparen und uns stattdessen bitte ein Taxi für die Rückfahrt rufen. Schlagartig entgleisen bei allem eben noch superfreundlichen Anwesenden die Gesichtszüge, keine Spur von Freundlichkeit mehr. Auf eine Klage wegen Freiheitsberaubung möchte man es aber offensichtlich nun doch nicht ankommen lassen. Man ruft ein Taxi drückt dem Fahrer wiederum 10 Euro in die Hand und dreht sich grußlos um - nicht ohne mir vorher noch die Karte mit meinem Hauptgewinn aus der Hand gerissen zu haben. Der Taxifahrer bringt uns zurück nach Rethymnon, eine halbe Stunde nach der plumpen Anmache durch Alex stehen wir jetzt am Rand der Altstadt. Unsere Bilanz dieses Vorkommnisses:

  1. Das Ganze hat uns eine halbe Stunde gekostet.

  2. Wir müssen nachher nicht mehr selbst nach Platanes fahren, das haben wir jetzt gesehen.

  3. Wir müssen das Stück vom Beginn der Hafenpromenade bis zur Altstadt nicht mehr zu Fuß gehen, so landschaftlich reizvoll ist das nämlich gar nicht.

  4. Das dubiose Time-Sharing-Unternehmen hat jetzt 20 Euro in das griechische Taxigewerbe investiert – ohne nur die Spur einer Chance, irgendwelchen Nutzen davon zu haben.

Na gut, damit können wir gut leben. Das heutige Abenteuer ist damit erledigt, jetzt gehen wir zum gemütlichen Teil des Tages über. Wir durchstreifen die wunderschöne Altstadt von Rethymnon, besichtigen die eine oder andere Sehenswürdigkeit, fotografieren völlig zügellos vor uns hin und lassen uns in einer der Gassen nieder, um ganz in Ruhe etwas zu trinken und eine Kleinigkeit aus der gnadenlos guten griechischen Küche zu essen. So stellen wir uns Urlaub vor! Bei unserem Spaziergang stoßen wir immer wieder auf die Kollegen von Alex, die sich über die ganze Stadt verteilt haben. Eigentlich wäre es ja eine Gaudi, das Ganze noch einmal mitzumachen und dem Typen dann ganz naiv zu sagen „Wie, nur drei Hauptgewinne am Tag, ich habe jetzt heute schon den zweiten!“ Aber wir haben jetzt keine Lust mehr, uns noch einmal volltexten zu lassen und wimmeln jeden weiteren Annäherungsversuch unwirsch ab. Stattdessen lassen wir uns noch einmal in einem Café auf einen Frappé nieder. Rein zufällig gibt es hier ein offenes WLAN und ich habe ebenso rein zufällig meinen Mini-Computer in der Tasche. Gelegenheit also, dem Kind einen kurzen Lagebericht nach Hause zu schicken und den eigenen Posteingang zu checken. Wir erstehen noch ein paar Aprikosen und eine Zeitung, die uns die Kunde vom Rücktritt unseres Präsidenten übermittelt. Ok, wir nehmen das zur Kenntnis, ebenso wie die Nachfolgedebatten in den kommenden Tagen, aber eigentlich haben wir ja Urlaub und überhaupt keine Lust, uns über derartige Kleinigkeiten aufzuregen.

So, jetzt aber zurück an die Südküste. Als Folge der Zufallsbeschilderung sind wir erst einmal nicht sicher, ob wir auf dem richtigen Weg sind, aber dem Sonnenstand nach zu urteilen, muss zumindest die grobe Richtung stimmen. Und so ist es dann auch, eine knappe Stunde später passieren wir das durchlöcherte Ortsschild von Agia Galini. Warum durchlöchert? Das erfahren wir später aus unserem Reiseführer: Die griechischen Jugendlichen (und wohl nicht nur die!) haben das Schießen zu einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen gemacht. Und als Ziel bieten sich offensichtlich Straßenschilder an. Im Laufe unseres Urlaubs sehen wir noch ganz andere Exemplare – mit viel mehr und viel größeren Löchern. Ein wenig gruselig finde ich diese Vorstellung dann doch …

Der Abend findet dann für uns in der von allen hoch gelobten Fisch-Taverne statt. Wir können uns diesem Enthusiasmus nicht so recht anschließen, das Essen ist zwar in Ordnung, aber nicht aufregend, die Bedienung allenfalls neutral – geradezu auffällig in einem Land, dass sich ansonsten besonders durch die Freundlichkeit und Herzlichkeit seiner Menschen auszeichnet. Aber der Wein ist hervorragend – immerhin!

zuletzt geändert: Jun 23 2010 at 08:38

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