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Abenteuer Estland


9. und 10. August - Auf hoher See

Von Anke Krause (anke)
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Sonnenaufgang gegen 5.30 Uhr, wir sehen uns mit blendendem Wetter konfrontiert, nichts mehr von Gewitter oder Regen zu sehen. Und der Wind, den wir für den heutigen Tag nun wirklich nicht gebrauchen können, hat auch ein Einsehen mit uns. Er hat wohl heute Ruhetag. Pünktlich um 7.00 Uhr stehen wir zu viert im Frühstücksraum, die restlichen drei haben leider verschlafen... Dann müssen jetzt eben ein paar Brote geschmiert und im Auto verspeist werden. Geht aber auch, Hauptsache, wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen. Die Autos werden beladen und los geht es in Richtung Fähre. Wir sind zwar nicht ganz eine Stunde vor Abfahrt da, wie uns eigentlich empfohlen wurde, aber es ist nicht viel los, und zudem haben wir reservierte Plätze auf der Fähre. So harren wir denn ganz entspannt der Dinge, die da kommen. Die Kinder nutzen die Wartezeit – zum Schlafen natürlich. Plötzlich kommt Bewegung in die Sache, die Fähre öffnet ihre Klappe und wir parken im Autodeck. 1 ½ Stunden soll die Fahrt dauern. Den größten Teil dieser Zeit verbringt man am besten – schlafend natürlich. Die Eltern machen sich inzwischen Gedanken darüber, wie wir Bert finden. Ja, Bert ist unser „Kajak-Guide“ und wird mit uns zwei Tage lang übers Meer paddeln. Planmäßig soll er uns am Fähranleger auf Hiiumaa erwarten. Wir warten, bis die anderen Autos ihre Reise fortgesetzt haben und sieh da, es ist gar nicht so schwierg. Ein braungebrannter Naturbursche nähert sich und stellt sich als Bert vor. Aber dann geht es sofort an die Arbeit. Vier Kajaks müssen fertig gemacht werden: Wasser rauswischen, mit Isomatten und Zelten beladen, das eigene Gepäck in wasserdichten Säcken verstauen und schließlich: Jede Menge Proviant samt Kocher, Töpfen, Geschirr und allem, was man für eine Luxus-Zeltübernachtung so braucht. Zum Schluss eine große Flasche Wasser für jeden, die auf dem Boot befestigt wird, so dass man auch während der Fahrt mal einen Schluck nehmen kann. Uns kommen Zweifel, ob bei so viel Zuladung die Boote überhaupt noch schwimmen. Wir legen Schwimmwesten und Spritzdecken an und versuchen es einfach. Und tatsächlich, es klappt. Kurze Zeit später haben wir mit den ersten Paddelschlägen das Ufer bereits ziemlich weit hinter uns gelassen. Wer im folgenden unsere Route verfolgen möchte, kann das hier hier tun (Die kleinen Inseln befinden sich ziemlich weit rechts unten auf der Karte). Warm ist es und völlig windstill. Puh, Glück gehabt. So kommen wir gut voran und machen eine erste Pause auf der kleinen Insel Kaevatsi, wo es ein wenig zugeht wie auf der Alm. Die Insel (wie auch die anderen kleinen Eilande, die wir noch ansteuern werden) ist nicht dauerhaft bewohnt, nur im Sommer werden Schafe hierher gebracht, die dafür sorgen, dass das Gras auch schön kurz bleibt. Natürliche Rasenmäher sozusagen. Wir wollen uns mit einem Apfel stärken, aber die sind so gut in einem der Boote versteckt (in welchem eigentlich?), dass wir sie auf die Schnelle nicht finden und uns mit einem Schluck aus der Wasserflasche begnügen. Noch geht das für alle problemlos, aber schon auf der nächsten Etappe wird eine der Wasserflaschen bei dem Versuch, sie wieder am Boot zu befestigen, auf Nimmerwiedersehen in der Ostsee landen. Schade! Weiter geht es nach Hanikatsi, wo Bert ganz professionell den Kocher anwirft und ein paar Gläser Nudeltopf aufwärmt. Brot gibt es dazu. Inzwischen sind auch die Äpfel wieder aufgetaucht und so können wir uns an einem mehrgängigen Menü erfreuen. In der Zwischenzeit können wir durch Berts Profi-Fernglas tatsächlich Robben beobachten, die in einiger Entfernung auf einer Sandbank Siesta halten. Spannend, so etwas sieht man nicht alle Tage!

Die Kinder sind nicht ganz so erfreut, als sie anschließend mit dem gesamten Geschirr ins Meer zum Abwaschen geschickt werden. Aber darauf können wir leider keine Rücksicht nehmen. Ein Spaziergang über die Insel schließt sich an, den Blick starr nach unten gerichtet. Aber trotzdem tritt der eine oder die andere dann noch in die Hinterlassenschaften der Schafe. Na ja, da müssen wir wohl mit leben, im Boot kann man ja die Schuhe dann wieder ausziehen. Frei nach dem Motto „Müd' und satt, wie schön is datt!“ ist unsere Neigung, jetzt weiter zu paddeln, partiell sehr unterentwickelt, aber was nützt es, unser Nachtlager wird erst zwei Inseln weiter aufgebaut und da müssen wir eben noch hin. Die Gruppe zieht sich merklich auseinander und ziemlich geschafft erreichen die letzten Körgelaid, während die schnelleren schon im Meer schwimmen.
Außer einem improvisierten Lagerplatz mit Feuerstelle, ein paar Balken drumherum, auf denen man sitzen kann und (immerhin!) einer Trissebude gibt es vor allem Natur, dazwischen ein paar baum-und strauch-freie Stellen, die für unsere Zelte prädestiniert sind.
Die Boote werden ausgeräumt, die Zelte aufgebaut. Dank meiner langjährigen Zelterfahrung steht unsere Hütte in wenigen Minuten als erste, leider abschüssig und, wie ich später leidvoll erfahren muss, mit einem riesigen spitzen Stein unter meiner Isomatte. Da hatte ich wohl doch einiges von meiner Zelterfahrung eingebüßt in den letzten Jahren... Inzwischen kommen die ersten Hungerschreie und die Kekse aus Haapsalu erweisen sich als sehr nützlich. Bei der Gelegenheit werden sie gleich kategorisiert: die runden sind Ost-Kekse, trocken und ohne viel Eigengeschmack, die eckigen sind die West-Kekse, die sind etwas süßer und schmecken nach Kokos. Woher die Erfinder dieser Bezeichnungen ihre Sicherheit nehmen, ist mir bis jetzt ein Rätsel, denn als sie das Licht der Welt erblickten, war Ost und West längst abgeschafft. Egal, die Kekse haben jetzt ihre Namen und für den Rest des Urlaubs weiss jeder, was gemeint ist. So gestärkt brechen wir auf zum anderen Ende der Insel, um dort weitere Ringelrobben und einen Bilderbuch-Sonnenuntergang zu betrachten. Wer jetzt nicht massiv Brumm-Stop-Forte zum Einsatz gebracht hat, wird förmlich aufgefressen von den kleinen Vampiren. Nur Bert erklärt mit stoischer Ruhe: „Mich stechen die nicht!“. Und wirklich, er scheint immun gegen die Biester zu sein. Alle anderen schlagen wüst um sich - jeder sich selbst und alle gegenseitig - und dummerweise fällt sogar eine Brille dieser Schlägerei zum Opfer. Leicht entnervt ziehen wir zurück zum Lagerplatz und entzünden ein ebensolches Feuer in der Hoffnung, dass sich die Ungetüme davon fernhalten lassen. Bert hat wieder den Kocher in Betrieb genommen. Nudeln mit Mischgemüse stehen auf dem Speiseplan. Dazu Brot und sauer eingelegter Salat. Zu trinken Wasser oder Tee. Wir schauen verstohlen, aber ziemlich neiderfüllt zu Bert hinüber, der hat sich nämlich eine Dose Bier mitgebracht und jetzt bei einbrechender Dunkelheit geöffnet. Wir trösten uns damit, dass das Zeug jetzt auch warm ist und deshalb eh nicht schmeckt. Der Abwasch muss auf den nächsten Morgen verschoben werden, denn mittlerweile ist es so dunkel, dass man nichts mehr sehen kann. Dann Matratzenhorchdienst. Für mich leider eher ein ständiges Hin-und-her-Drehen, um dem blöden Stein unter meiner Iso-Matte auszuweichen. Ich erzähle lieber nichts mehr von meiner Zelterfahrung...
Morgens ist alles nass. Nicht, dass es geregnet hätte, aber die Luft so mitten im Meer ist wohl doch etwas feucht. So sind unsere abends aufgehängten Badesachen und Handtücher jetzt keinesfalls trocken, aber nachdem wir sie in die Sonne gelegt haben, geht das ganz schnell. Die Zelte sind in rasender Schnelle abgebaut und das komplette Gepäck wird wieder in den Booten verstaut. Vor dem Frühstück muss jetzt erst mal der Abwasch erledigt werden. Das machen diesmal die beiden Herren, äußerst professionell, wie ich finde. Und vor allem ohne Gemaule. Wir bereiten inzwischen für jeden ein Brötchen mit Schinken und Käse vor, nur Bert isst warm: Nudeln mit Mischgemüse vom Abend vorher. Hmmh. Jetzt noch eine technische Herausforderung: Die Wasserflaschen müssen nachgefüllt werden. Aus dem 5-Liter-Kanister giesst es sich äußerst mühsam und anfangs geht auch der eine oder andere Tropfen daneben, aber bei den letzten Flaschen klappt es dann problemlos. Trotz der erschwerten Umstände: Die Brille ist wohl nachhaltig in dieser Form nicht mehr einsatzfähig! Alle sind wieder versorgt, zum Glück gab es überzählige Plastikflaschen, so dass jetzt wieder jeder eine vor sich auf dem Boot festmachen kann. Und los geht es in die zweite Runde. Hinten um die Insel herum, diesmal in Richtung Saarnaki. Diesmal kommen die Robben ganz dicht an unsere Boote heran und Winfried versucht, das im Bild festzuhalten. Leider sind die Tiere wenig kooperativ und just in dem Moment, wenn er auf den Auslöser drückt, tauchen sie ab. Und die wenigen Exemplare, die er doch erwischt, werden leider unscharf. Also weiter. Heute vormittag macht das Paddeln fast noch mehr Spaß als gestern nachmittag, denn das Meer ist nicht ganz so spiegelglatt und es schaukelt ein bißchen mehr als am Tag vorher. Ob diese Auffassung allerdings von allen Mitreisenden geteilt wird, frage ich vorsichtshalber nicht. Unaufhaltsam nähern wir uns jetzt Saarnaki, wo wir an Land gehen und eine kleine Pause machen. Bert ist der Meinung, zwei Stunden ohne eine warme Mahlzeit seien ein Zumutung für jeden normalen Menschen, und will schon wieder den Kocher in Betrieb nehmen. Wir mögen aber nicht schon wieder warm essen und protestieren so lange, bis auch Bert sich auf Brot, Käse, Schinken, Obst und Schokoriegel einlässt. Aus einem der Boote ziehen wir zudem eine Tüte Kekse hervor, die Bert besorgt hat. Rund, nicht so groß, dafür etwas dicker und wahrscheinlich mit Nüssen oder so ähnlich. Da auch diese Sorte Kekse zu Unterscheidungszwecken einen Namen braucht, heissen sie nun für den Rest des Urlaubs Bert-Kekse. Nach dem Essen Siesta für die einen, Inselerkundung für die andern. Und schon bald treten wir unsere letzte Etappe an – zurück zum Fährhafen von Hiiumaa. Bert, der sich biasher bein Paddeln sehr zurückgehalten hat und diese Aufgabe eher seinem Mitstreiter überlassen hat (nicht so sehr zu dessen Freude übrigens!), legt sich jetzt richtig ins Zeug und schon bald ist von diesem Boot nichts mehr zu sehen. Alle anderen versuchen mühsam, hinterher zu kommen und es gelingt uns nur mehr oder weniger zufriedenstellend. Überraschung des Tages: auf halber Strecke zum Ziel schießt plötzlich das Boot an uns vorbei, das bisher immer am weitesten zurück lag (schließlich muss man ja nicht paddeln, wenn man stattdessen auch ohne Punkt und Komma reden kann!). Mit einem Lächeln auf den Gesichtern mobilisieren die beiden jetzt alle Kräfte, die sie in den letzten 1 ½ Tagen gespart haben. Trotzdem im Ziel sind sie dann erst dritte ;-). Bert hilft uns, die Boote aus dem Wasser zu ziehen, wir packen wieder alles aus, räumen die Boote an ihren Platz zurück und verstauen unser Gepäck in den Autos. Bert verabschiedet sich in Windeseile, denn so bekommt er noch die Fähre zurück zum Festland. So hatte es dann auch für ihn etwas Gutes, dass wir auf warmes Mittagessen verzichtet haben, denn sonst hätte er erst die nächste Fähre 1 ½ Stunden später bekommen. In unserer Gruppe schwankt jetzt die Stimmung zwischen „Schade, dass es vorbei ist“, „Froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben“ und „Einfach nur völlig geschafft“. Aber in einem sind wir uns doch alle einig: Es war ein echtes Erlebnis und hat viel Spaß gemacht.

zuletzt geändert: Oct 10 2007 um 17:53

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von am um
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