8. August - Wie im Himmel |
Von Anke Krause (anke) |
Morgens nehmen wir die Autos in Empfang. Für uns bedeutet das: ein Opel Corsa wird uns die nächsten zwei Wochen durchs Land bringen. So weit, so gut, auch, wenn das Gepäck nur mit viel gutem Zureden im Wageninneren unterzubringen ist. Aber mit dem Koffer auf den Sitz neben sich hat das Kind gleich eine praktische Kopfablage, wenn es dann wieder ans Schlafen geht. Unsere Freunde müssen sich zu viert mit einem Auto begnügen, bei dem das gesamte Gepäck im Kofferraum verstaut ist. Da schläft es sich nur halb so bequem. Aber nun geht es los, wir verlassen die Stadt und fahren Richtung Westen. Je weiter wir uns von Tallinn entfernen, desto weniger anderen Autos begegnen wir. Stattdessen gibt es zahllose Störche auf den Feldern, Schilder, die uns vor Kollisionen mit Elchen warnen und jede Menge „Jejend“. Ab und zu ein Ortsschild, aber es ist schwierig, die zugehörigen Orte auch auszumachen, bestehen sie doch größtenteils nur aus einem einzelnen Gehöft oder einer einsamen Windmühle. Und irgendwo mäht hier irgendwer seinen Rasen . Dann, nach etwa 100 Kilometern, wieder so etwas wie eine Stadt: Haapsalu. Zunächst durchqueren wir Haapsalu-Lobeda und folgen dann den Hinweisschildern zur Promenade, denn dort soll unser Hotel sein. Durch ein Gewirr von engen Einbahnstraßen müssen wir uns nun zwängen, aber was wir dabei sehen, ist wirklich schön: Bunte Holzhäuser mit prächtig blühenden Gärten, ganz so, wie man sich Skandinavien vorstellt. Jeden Moment rechnet man damit, Pippi Langstrumpf über den Weg zu laufen. Aber so weit kommt es dann doch nicht, irgendwann haben wir unser Hotel erreicht. Zwei Doppelzimmer und eine Dreibett-Suite sind reserviert. „Die nehmen wir!“ beschließt die jüngere Generation und die gehorsamen Eltern fügen sich. Ein Drink auf der Terrasse und dann erkunden wir zu Fuß die kleine Stadt. Ein wunderschönes Kurhaus gibt es zu sehen, eine Bank, die zu Ehren von Peter Tschaikowsky aufgestellt wurde (der war schließlich auch früher mal hier) und sobald man sich draufsetzt, anfängt, Tschaikowsky-Musik zu dudeln. Die Attraktion aber ist die Ruine der Bischofsburg, in der man wunderschön herumklettern kann. Die Kirche ist erhalten und natürlich erstehen wir Eintrittskarten, um auch sie zu besichtigen. Das Kind verzieht zunächst das Gesicht angesichts einer solchen Kulturstrapaze, aber dann horcht sie auf: Musik erklingt aus dem Inneren, und zwar kein langweiliges Orgelspiel, sondern Chorgesang. Wir werden neugierig und treten näher. Ein Chor steht vorn in der Kirche und scheint zu proben. Fasziniert setzen wir uns hin, denn wir fühlen uns ins Kino versetzt: Vor einiger Zeit gab es da „Wie im Himmel“, und genau so ist es hier. Ein unglaublich fröhlicher und gutgelaunter Chor singt Stücke, die glatt aus diesem Film stammen könnten. Wir bleiben stundenlang sitzen und hören zu, so lange, bis tatsächlich ein Lied aus dem Film kommt. Als die Probe endlich beendet ist, erfahren wir, dass es sich um einen schwedischen Chor handelt, der auf Konzertreise ist und heute abend das Ganze im Konzert aufführt. Da müssen wir hin, befindet das Kind. Vorher wollen wir aber noch ein bißchen shoppen. Die Ausbeute: Ein Pullover, Obst und verschiedene Sorten Kekse. Während wir im Einkaufszentrum weilen, weitet sich das bisherige leichte Tröpfeln zu einem gigantischen Wolkenbruch aus. Irgendwie schaffen wir es trotzdem, zum Hotel zurück zu kommen, ohne uns in unsere Bestandteile aufzulösen. Schnell ausgehfein gemacht und zum Konzert wieder in die Bischofsburg. Leider kommen wir ewas zu spät, denn der Eingang zur Kirche ist jetzt von der anderen Seite, so dass wir noch einen Abendspaziergang durch die nasse und matschige Wiese machen müssen. Wir kommen aber dann pünktlich in der Mitte des ersten Stücks. Die Sänger und -innen sind jetzt feierlich in schwedische Trachten gewandet und wirken viel seriöser als nachmittags in der Probe. Schade eigentlich, aber es wird trotzdem ein schönes Konzert. Danach Rückmarsch zum Hotel – um gleich wieder aufzubrechen, denn schließlich haben wir noch Hunger! Vorbei geht es an der Tschaikowsky-Dudel-Bank und wir landen schießlich im Kurhaus, das von innen fast noch schöner ist als von außen. Ein Platz am Fenster ist frei, wir lassen uns nieder und sehen im nächsten Moment einen weiteren Regenguss niedergehen. Glück gehabt! Und dann: Hervorragendes Essen, nette Bedienung, Aussicht direkt aufs Meer, was will man mehr! Wären da nur nicht die Millionen von Mücken! Eigentlich waren wir ja schon darauf vorbereitet,im Gepäck befindet sich neben den üblichen Mückenschutzmitteln auch „Brumm-Stop forte“, das wir schon allein wegen des hübschen Namens mit auf die Reise genommen haben. Aber im Wesentlichen scheint die Wirkung all dieser Mittelchen darin zu liegen, dass sich die Mücken totlachen. Wenn man dran glaubt ... Jedenfalls werde wir im Laufe unserer Reise eine gewisse Virtuosität in den Disziplinen „Einhändiges Zuschnappen“, „Beidhändiges Klatschen“ und „Pantoffel-gegen-die-Wand-schlagen“ entwickeln.
Im Hotel steht jetzt eine logistische Herausforderung bevor: Die Taschen für unser Hochsseeabenteuer müssen gepackt werden. Schlafsäcke, Handtücher, Zahnbürsten, Badezeug, Brumm-Stopp forte. Noch was vergessen? Dann bleibt nur noch die spannende Frage nach dem Frühstück.Das gibt es erst ab 7.00 Uhr, wir müssenaber schon um 7.15 Uhr aufbrechen, um unsere Fähre nach Hiiumaa zu bekommen. Das riecht sehr nach hungrigem Aufbruch.
Na dann, gute Nacht!
zuletzt geändert: Oct 10 2007 um 17:53
ZurückKommentare
von am um | |
Kein Kommentar gefunden |
Meine Meinung dazu